Die Verhandlung ist eröffnet. Milica S. nimmt vor dem Richter Platz. Die Schultern hängen. Der Blick ist gesenkt. Die Staatsanwältin Sofie A. erhebt sich. Sie verliest die Anklageschrift … So oder so ähnlich könnte es sich am 16.10.2017 zugetragen haben im Raum 2.17 des Wiedner Gymnasium. Doch gottseidank verhandelte die 4A mit der Unterstützung von Richter und Bezirksanwältin nur einen fiktiven Fall.
Die Verhandlung ist eröffnet. Milica S. nimmt vor dem Richter Platz. Die Schultern hängen. Der Blick ist gesenkt. Die Staatsanwältin Sofie A. erhebt sich. Sie verliest die Anklageschrift:
STRAFANTRAG
Die Staatsanwaltschaft Wien legt
Milica S.
folgendes zur Last:
Milica S. hat am 16.10.2017 in 1040 Wien Ana B. vorsätzlich am Körper verletzt, indem sie ihr die Spindtüre ins Gesicht schlug, wodurch Ana B. einen Nasenbeinbruch, sohin eine an sich schwere Körperverletzung, erlitt.
Milica S. hat hierdurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 3.Fall StGB begangen und wird hierfür nach § 84 Abs 1StGB zu bestrafen sein.
Die Staatsanwaltschaft Wien beantragt:
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Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Josefstadt als Schöffengericht
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Vorladung der Beschuldigten zur Hauptverhandlung als Angeklagte
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Vernehmung der Zeugen: Emilia K., Elsa M., Nora S.
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Gemäß § 252 Abs 2 StPO: Verlesung der Anzeige, der polizeilichen Erhebungen und der Strafregisterauskunft
Ob die Angeklagte versteht, warum sie vor Gericht ist, fragt sie der Richter. Leise bejaht Milica S. die Frage … So oder so ähnlich könnte es sich am 16.10.2017 zugetragen haben im Raum 2.17 des Wiedner Gymnasium. Doch gottseidank verhandelte die 4A mit der Unterstützung von Richter und Bezirksanwältin nur einen fiktiven Fall.
Zu diesem Prozessspiel wurden wir von Richter Mag. Held persönlich eingeladen, denn als die – damals noch – 3A im Juni zum ersten Mal im Bezirksgericht Josefstadt zu Besuch war, zeigte sich schnell großes Interesse, und der Wunsch eines erneuten Besuches wurde mehrfach geäußert. Bei den echten Verhandlungen am Vormittag traf uns jedoch der Fluch, mit dem Mag. Held vor Jahren bei einer Verhandlung von einer alten Frau belegt worden war. In den ersten drei Fällen erschienen die Angeklagten nicht. Es musste einmal vertagt werden, die anderen beiden Fälle wurden in Abwesenheit verhandelt.
Der letzte Fall jedoch zeigte erneut, wie viel Menschenkenntnis und Menschlichkeit der Richterberuf verlangt. Angeklagt war ein junges Paar wegen Dokumentenfälschung. Um in Österreich einen Asylantrag stellen zu können, mussten sie einen gefälschten Ausweis vorlegen, denn auf der Flucht war alles verloren gegangen. Und während der junge Mann in seiner Heimat selbst Jus studiert hatte, saß er nun in einem fremden Land als Angeklagter vor einem Richter. Doch gottseidank saß er vor einem Richter, der Menschen eine Chance gibt. Und so wurde das Paar mit einer Probezeit und ohne Vorstrafe in ihre neue Zukunft entlassen. Mit großer Erleichterung und einem lauten »Dankeschön« verabschiedete sich das Paar bei Mag. Held und auch der 4A.
Und auch Milica kam glimpflich davon. Die Geschworenen berieten sich eingehend und so wurde sie schließlich vom Tatbestand der absichtlichen und der fahrlässigen schweren Körperverletzung freigesprochen. Denn so ein Unfall kann jedem passieren.